Schneller und zielgerichteter

 

Die Neuregelung des Betreuten Wohnens in NRW

Martin Kresse

 

Zum 1.Juli 2003 sind in NRW die beiden Landschaftsverbände auch zuständig für die ambulanten Hilfen zum selbständigen Wohnen für behinderte Menschen. Damit haben die überörtlichen Sozialhilfeträger die Kosten- und Planungszuständigkeit für die Eingliederungshilfe für den gesamten Bereich Wohnen. Die Zusammenführung ist bis zum 30.06.2010 befristet. Sie wird wissenschaftlich begleitet und ausgewertet, auch um Fehlentwicklungen frühzeitig zu erkennen und gegenzusteuern.

 

 

Unterschiedliche Lebensverhältnisse in NRW angleichen

 

Bis zum 01.07.2003 war die Zuständigkeit für die ambulanten Eingliederungshilfen für Menschen mit Behinderung zum selbständigen Wohnen (Betreutes Wohnen) Pflichtleistung des örtlichen Trägers und freiwillige Leistung des überörtlichen Trägers. Dies hat zu Versorgungslücken geführt. So schwankt die Versorgungsquote im Rheinland Ende 2002 beim Betreuten Wohnen zwischen 0,20 und 0,95 je tausend Einwohner. Die bisher getrennte Zuständigkeit hat nicht überall zu einem bedarfsgerechten Ausbau ambulanter Hilfen vor Ort geführt. Viele Menschen mit Behinderung wurden nur deshalb stationär betreut, weil geeignete ambulante Angebote fehlten. Mehr und auf den individuellen Hilfebedarf zugeschnittene Betreuung ermöglicht mehr Menschen selbstbestimmt außerhalb von Heimen zu wohnen. Durch die Zusammenführung der Hilfen im Bereich Wohnen in eine Hand soll sichergestellt werden, dass schneller ein bedarfsgerechter Ausbau von ambulanten und stationären Wohnangeboten erreicht wird, dass Unter- und Überversorgung aufhört.

Die Landesregierung konnte in ihrer Ausführungsverordnung aus rechtlichen Gründen keine Einzelheiten klären und hat Empfehlungen gegeben, mehr lässt das BSHG und die kommunale Selbstverwaltung der Sozialhilfeträger nicht zu. Die Landschaftsverbände beabsichtigen aber, besonders bei den Grundlagen wie z.B. der Kostenheranziehung gemeinsame Wege zu gehen.

Unterschiede zwischen den beiden Landschaftsverbänden in NRW gibt es nicht in den Zielen, aber in der Ausgangslage und im Weg. Im Folgenden wird die Situation im Rheinland mit seinen 9,6 Millionen Einwohnern für den Landschaftsverband Rheinland (LVR) beschrieben und kommentiert.

 

 

Ziele der Hilfen aus einer Hand

 

Der Paradigmenwechsel in der Sorge für behinderte Menschen soll umgesetzt werden: weg von der Angebotsorientierung, bei der der behinderte Mensch das nehmen musste, was angeboten wird. Hin zur Selbstbestimmung und zum personenzentrierten Ansatz, wobei der behinderte Mensch individuell die Hilfe bekommt, die er haben will und braucht. Durch die Zuständigkeitsveränderung ist kein neues Leistungsgesetz, keine Ausweitung von Leistungsansprüchen entstanden, aber der personenzentrierte Ansatz und die Hilfen aus einer Hand sollen zu einer schnelleren und zielgerichteteren Hilfegewährung führen. Ziel ist also mehr Durchlässigkeit zwischen ambulantem und stationärem System, eine Verbesserung der Transparenz und Steuerung für alle Beteiligten: den Mensch mit Behinderung, den Landschaftsverband und die Kommunen, die Leistungsanbieter.

Als freiwillige institutionelle Leistung gab es bisher keine Kostenheranziehung. Da das ambulante Wohnen nun Pflichtleistung der Landschaftsverbände ist, müssen Kostenheranziehungen nach BSHG gelten. Möglicherweise werden deshalb Einige das Betreute Wohnen verlassen und mit weniger Hilfe auskommen wollen, weil ihnen dann das Preis-Leistungsverhältnis nicht mehr zusagt. Bei denen, die trotzdem die Hilfen zum ambulanten Wohnen brauchen, droht eine gesundheitliche Verschlechterung mit z.B. Klinikeinweisung, Drehtüreffekten und Chronifizierung. Durch Motivationsarbeit gelingt es dann hoffentlich, das Betreute Wohnen trotzt Kostenbeteiligung anzunehmen.

Ziel ist, den gesetzlichen Vorrang offener Hilfen umzusetzen (§ 3a BSHG). Die Landesregierung hatte die Landschaftsverbände deshalb aufgefordert, bei den Unterhaltsleistungen Angehörige mit einem behinderten Menschen im ambulanten Wohnen nicht schlechter zu stellen. Die Landschaftsverbände sind dem nachgekommen und berücksichtigen auch das Arbeitsförderungsgeld nach § 43 SGBIX bei ambulanten und stationären Hilfen gleich.

Ziel der Veränderung ist auch, durch mehr und individuelle ambulante Angebote bei den Sozialhilfeträgern zu einer Dämpfung der Kostenentwicklung zu kommen. Die Kosten in Wohnheimen im Rheinland betrugen 2002 durchschnittlichen 38 251 € pro Person und Jahr, die durchschnittlichen Betreuungskosten für ambulant selbständiges Wohnen bei einem mittlerem Betreuungsschlüssel zwischen 1:3 und 1:15 dagegen nur 15 370 €.

 

 

Kostenzuwachs abschwächen

 

Im Rheinland lässt die Entwicklung aus den letzten Jahren die gesicherte Prognose zu, dass jährlich 1.100 Menschen mit Behinderung zusätzlich Eingliederungshilfe benötigen. Dabei wurde bisher jährlich für ca. 800 Personen stationäre Hilfen neu bewilligt sowie 300 zusätzliche Angebote im Bereich des Betreuten Wohnens. Gründe für diese Fallzahlentwicklung sind einerseits der erhebliche medizinische Fortschritt, durch den die Lebenserwartung von Menschen mit Behinderung erfreulicherweise wesentlich verbessert werden konnte, und andererseits die demographische Entwicklung: Bedingt durch die systematische Ermordung behinderter Menschen während der nationalsozialistischen Diktatur war der Anteil von Menschen mit Behinderung an der Gesamtbevölkerung in der bisherigen Nachkriegszeit verhältnismäßig gering. Inzwischen ist er wieder angestiegen und wird auch in den nächsten Jahren weiter ansteigen.

Ziel der Landschaftsverbände ist, insbesondere die Personenkreise zu erreichen, die bislang hinsichtlich der ambulanten Angebote vergleichsweise unterrepräsentiert sind. Hierbei handelt es sich insbesondere um Menschen mit geistiger Behinderung. Ende 2002 lebten im Rheinland 14.482 Menschen mit geistiger Behinderung in Wohnheimen und nur 899 geistig behinderte Menschen wurden im Betreuten Wohnen betreut. Bei psychisch behinderten Menschen lebten 4926 in Wohnheimen und immerhin 2700 im Betreuten Wohnen.

Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) beabsichtigt, bis 2005 das stationäre Angebot nicht weiter auszubauen bei gleichzeitige verstärktem Ausbau des Betreuten Wohnens und in einer zweiten Phase den Abbau stationärer Plätze zu betreiben. Trotz dieser grundsätzlichen Absicht ist darauf zu achten, dass das Wahl- und Wunschrecht des einzelnen Menschen mit Behinderung gewahrt bzw. erreicht wird, wobei laut § 3 Abs. 2 BSHG dies nicht „mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden“ sein darf.

 

 

Zuständigkeitsbereich der Landschaftsverbände

 

Die Kommunalen Spitzenverbände und der Gesetzgeber will nur ambulantes selbständiges Wohnen und stationäre Hilfen zum Wohnen für über 18 jährige, behinderte Menschen in eine Hand zu den Landschaftsverbänden geben, nicht die gesamte Eingliederungshilfe. Nur im Einzelfall kann in der Herkunftsfamilie ausnahmsweise Betreutes Wohnen finanziert werden, wenn – ausgehend von der Zielsetzung der Regelung – entsprechende Voraussetzungen der Selbständigkeit (z.B. baulicher Art) vorliegen.

Von der Zuständigkeitsänderung sind neben dem Kernbereich des ambulant betreuten Wohnens weitere Leistungen betroffen. Hierzu gehören zum einen ergänzende Hilfen in besonderen Lebenslagen, wenn ohne diese Hilfen ein selbständiges Wohnen nicht erreicht oder gesichert werden kann, und zum anderen die Hilfen zum Lebensunterhalt, allerdings auch organisatorischen Gründen erst ab 2004. Aus Gründen der Bürgernähe soll die Hilfebearbeitung auf die örtliche Ebene delegiert werden. Gehen die Kommunen dann bedarfgerecht und sparsam mit dem Geld um, das sie auszahlen, aber von den Landschaftsverbänden wieder bekommen?

Mit dieser Zuständigkeitsänderung sind natürlich nicht alle Schnittstellenprobleme und „Verschiebebahnhofe“ gelöst. Zwar fordert die Verordnung zur Zuständigkeitsverlagerung: „Schnittstellenprobleme dürfen nicht dazu führen, dass Leistungen eingeschränkt werden.“ Aber dafür ist vor Ort zu sorgen!

Finanziell haben die Kreise und Kreisfreien Städte mit den Wohnbereichen für behinderte Menschen nichts mehr zu tun. Stirbt damit auch ihr Interesse, diese Menschen in die normale Nachbarschaft aufzunehmen? Nimmt diesbezüglich der Widerstand zu? Weil aber die Zuständigkeitsverlagerung auf 7 Jahre befristet und ergebnisoffen angelegt ist und wegen des Nachholbedarfs nach Chancengleichheit und Integration müssen wir in den Kommunen darauf achten, dass die Anstrengungen zur Integration behinderter Menschen verstärkt werden.

 

 

Abhängigkeit von Eingliederungshilfe vermeiden

 

Für den Betroffenen ist wichtig, frühzeitig an Hilfen zu kommen. Standardlösungen und Komplexlösungen wie im Heim sind leichter zu erreichen. Da erhält der Hilfesuchende alles, ob er es wirklicht brauch oder nicht ist zweitrangig. Das ist verführerisch bequem, führt aber zu Passivität und Anpassung bei Betroffenen und bei Profis. Im ambulanten Wohnen müssen Hilfen zusammengestellt werden. Das erfordert Suchen und Organisieren und ist anstrengend. Das Ergebnis ist befriedigender und weniger stigmatisierend, weil der behinderte Mensch in einer normalen Nachbarschaft lebt. Betreuer dürfen nicht den Fehler machen, die Kontaktwünsche des Betroffenen selber zu befriedigen. Behinderte Menschen brauchen Hilfen durch "Brücken" in die „normale“ Kultur, Arbeits- und  Freizeitwelt hinein.

Für psychisch Behinderte gibt es schon ein flächendeckendes Angebot an Sozialpsychiatrischen Zentren (SPZ) im Rheinland, die als Kontakt – und Beratungsangebote das ambulante Betreute Wohnen absichern. Die Zielrichtung der SPZs muss sich weiterentwickeln, denn: Behinderte Menschen wollen immer stärker an den normalen Lebensbereichen teilnehmen, nicht in Sondereinrichtungen leben, und dabei brauchen sie Unterstützung. Für Menschen mit geistiger Behinderung fehlt etwas Vergleichbares. Der LVR hat einerseits erste Überlegungen für ein niederschwelliges Beratungsangebot auch für geistig behinderte Menschen angestellt, damit ihre Familien entlastet werden und behinderte Menschen nicht in Wohnheime z.B. verlegt werden müssen. Andererseits sollen geistig behinderte Menschen auch im Betreuten Wohnen Unterstützung erfahren, um Freizeitangebote in der normalen Lebenswelt zu erreichen. Dabei geht es nicht darum, einen neuen Einrichtungstyp zu schaffen, Ziel ist vielmehr, bestehende Strukturen vor Ort zu nutzen und weiterzuentwickeln. Befürchtet wird sonst, dass behinderte Menschen in ihrer eigenen Wohnung vereinsamen oder Familien wieder in die Betreuung einspringen müssen und sich überfordern. Die Überlegungen zur Finanzierung solcher Angebote sind allerdings noch nicht abgeschlossen.

Die Kontaktwünsche des Betreuten sollte der Mitarbeiter nicht allein zu befriedigen versuchen. Der Anbieter ambulanter Hilfen zum Betreuten Wohnen muss sich ganz auf die Sicht seines Betreuten einstellen, verschiedene Angebote so dicht zusammenknüpfen, dass der Betreute sich in seinem individuellen Netz sicher fühlt und nicht durch die Maschen fällt.

 

 

Von der Angebots- zur Personenzentrierung umsteuern

 

Bisher gab es durch den LVR eine institutionelle pauschale Förderung im Betreuten Wohnen mit Regelschlüssel 1:12, bei einzelnen Zielgruppen 1:6. Einige Kommunen haben individuell gefördert, hier wird eine Standardverschlechterung befürchtet. Ziel des LVRs ist die Förderung auf Einzelförderung für den konkreten individuellen Hilfebedarf bis Mitte 2004 umzustellen. Deswegen hat der Landschaftsverband Rheinland ein personenzentriertes Hilfeplanverfahren entwickelt, bei dem der individuelle Hilfebedarf behinderter Menschen unabhängig von der Art der Behinderung festgestellt wird. Es wird nach den Bedürfnissen und Wünschen der Menschen mit Behinderung gefragt, an diesen Bedarf müssen sich die Angebote anpassen und nicht umgekehrt. Das Hilfeplansystem des LVRs soll für alle behinderten Menschen gleichermaßen zur Anwendung kommen, im ambulanten und im stationären Bereich.

 

 

Den individuelle Hilfebedarf feststellen und finanzieren

 

Wie und mit wem der betroffene behinderte Mensch einen Hilfeplan macht, will der LVR im ersten Schritt noch nicht verbindlich regeln. es gibt in einigen Gebietskörperschaften auch geeignete Strukturen, z.B. im Rahmen von Hilfeplankonferenzen, die durch Vorgaben des LVR nicht zerstört werden sollen. Darüber wird gleich noch am Beispiel Köln berichtet. Bis Ende 2004 sollen andere Hilfeplanverfahren weiter eingesetzt werden können. Das bisherige Entwicklungsberichtswesen für Wohnheimbewohnerinnen und –bewohner wird auch vom Hilfeplanverfahren des LVR abgelöst, um die ambulanten und stationären Systeme gleich zu behandeln und durchlässig zu machen.

Wichtig für eine fundierte Hilfeplanvereinbarung mit gültigen Ergebnissen sind professionelle Kenntnisse des Verfahrens und ein Vertrauensverhältnis zwischen den unmittelbar Beteiligten. Aus den vereinbarten Hilfeplänen ergibt sich in der Regel, welches Leistungsangebot erforderlich ist. Im Einzelfall kann es notwendig sein mit anderen Stellen, vorrangigen Kostenträgern, Anbietern vor Ort, eine Entscheidung über Art und Umfang der Leistung herbeizuführen. Ein solches Klärungsverfahren wird der LVR einleiten.

Für erstmalige Hilfepläne braucht der LVR dann noch einen Sozialhilfegrundantrag und ärztlichen Nachweis zur Behinderung.

Die Leistungsanbieter fordern eine Vergütung für erstmalige Hilfepläne, der LVR wiegelt ab und betont, der Hilfeplan ist in erster Linie nicht ein Verwaltungsvorgang, sondern Teil einer fachlich notwendigen Prozessgestaltung, der in die Overheadkosten eingeht. Allerdings: wer sich darauf nicht einlässt oder noch zu klein ist, steigt möglicherweise aus dem Markt aus bzw. kommt leider erst gar nicht hinein. An einer Bevorzugung großer Anbieter kann der LVR aber kein Interesse haben. Ob Betroffene bei diesen Bedingungen nach einem erstmaligen Hilfeplan den Anbieter noch wechseln können, wenn sie möchten, ist fraglich. Der LVR meint ja und verweist dazu auf kostenlose Kostenvoranschläge in der Wirtschaft.

Die Vergütung im Betreuten Wohnen richtet sich nach dem im Hilfeplanverfahren festgestellten individuellen Hilfebedarf: Auf dieser Basis werden Fachleistungsstunde pro Woche und in der Regel ein Jahresbudget gebildet, auch um Betreuungsschwankungen gerecht zu werden. Abgerechnet werden können nur die tatsächlich geleisteten und vom behinderten Menschen quittierten Fachleistungsstunden. In die Fachleistungsstunden gehen auch Overheadkosten (Fahrt-, Fortbildung und Verwaltungskosten u.ä.) des Anbieters ein.

 

 

Hilfeangebot in Regionalkonferenzen steuern

 

Die individuelle Hilfeplanung ist ein wichtiges Instrument zur Bedarfserhebung und Steuerung im Einzelfall. Neben der Steuerung im Einzelfall soll für eine Region eine Bedarfsentwicklung der institutionellen Angebotsstrukturen erreicht werden. Der individuelle Hilfebedarf und die Angebotsstrukturen auch im stationären Bereich müssen sich entsprechen. Zu diesem Zweck will der LVR in jeder Region mehrmals jährlich Regionalkonferenzen abhalten. Gewünschtes Ergebnis dieser Regionalkonferenz ist der Abschluss von Zielvereinbarungen, auf deren Grundlage sich das Angebot vor Ort bedarfsgerecht weiterentwickeln soll. Darauf haben auch die Kommunalen Spitzenverbände gedrängt, um die Kostenentwicklung im Blick zu behalten. Durch die Zuständigkeitsverlagerung für das betreute Wohnen auf den überörtlichen Träger der Sozialhilfe soll die im § 3a BSHG normierte Vorrangigkeit offener, kostengünstigerer Hilfen wesentlich erleichtert werden. Zu einem späteren Zeitpunkt sollen in die Bedarfsplanung auch integrative Tagesstätten, Sonderkindergärten, Werkstätten für behinderte Menschen sowie Tagesstätten für psychisch Kranke und Menschen mit Behinderung aufgenommen werden. Der LVR wird zu den Regionalkonferenzen vor Ort neben allen Anbietern auch Behindertenbeauftragte sowie Betroffenenverbände einladen.

Abzuwarten bleibt, ob sich Anbieter oder Großeinrichtungen durch individuelle Hilfeplanung mehr in die Karten schauen lassen und den Vorrang offener Hilfen endlich mit umsetzen, denn dazu waren sie bisher auch schon verpflichtet. Deswegen müssen sich alle vor Ort in diesen Prozess intensiv einmischen, um für die notwendige Deinstitutionalisierung zu sorgen. Obwohl sich das Angebot lediglich verlagert fürchten Träger von großen Zentraleinrichtungen, damit in wirtschaftliche Probleme zu geraten.

 

 

Hilfeplankonferenz: Zwischen individueller Hilfeplanung und regionaler Sozialplanung

 

In der Hilfeplankonferenz werden alle individuellen Hilfepläne einer Region vorgestellt und eine Leistungsgewährung verabredet. Der LVR hat zugesagt, dass er sich in solche oder vergleichbare Strukturen aktiv einbringt, um vor Ort abgestimmte Hilfen für den einzelnen Menschen anbieten zu können. Dabei ist darauf zu achten, dass sich der daten- und sozialrechtliche Anspruch für den Bertoffenen durch die Hilfeplankonferenz nicht verschlechtert. Man kann und muss erreichen, dass alle Anbieter an der Hilfeplankonferenz mitwirken, damit sich keiner am System vorbei Vorteile herausholt. Der Betroffene muss aber zur Wahrung seines Datenschutzes das Recht haben, seinen Hilfebedarf nur mit dem Kostenträger und einem Anbieter ohne Hilfeplankonferenz zu besprechen. Die Fristen zur Hilfegewährung müssen sich mit Kenntnis beim Kostenträger nach SGB IX richten, nicht nach der Arbeitsfähigkeit der Hilfeplankonferenz. Leistungsrechtlich bleibt verantwortlich der Kostenträger, gegen den sich ggf. Rechtsmittel richten.

Wenn diese Hinweise beachtet werden sollten Regionen und der LVR Hilfeplankonferenzen aktiv unterstützen: Die Hilfeplankonferenz kann zu einer besseren Qualität durch vertiefte Reflexion und genauerer Kenntnis des Hilfebedarfs führen. Die Hilfeplankonferenz kann die Hilfebedarfsfeststellung optimieren und zu einer zeitnahen Leistungsfeststellung und -erbringung führen. Die Anwesenheit aller Entscheidungsträger minimiert Verwaltungsvorgänge und führt zur Verwaltungsvereinfachung. Die Geschäftsführung der Hilfeplankonferenz durch das Gesundheitsamt z.B. soll zu einer neutralen und trägertunabhängigen Verhandlungsführung beitragen. Sie soll die Kooperation zwischen den Leistungsträgern verbessern, organisiert den gemeindepsychiatrischen Verbund und hat Auswirkungen auf die Qualität der Leistungserbringung, weil die Teilnehmer – oft aus der mittleren Hierarchieebene – einerseits nah am Betroffenenbedarfs, andererseits mit genug Loyalität zu Trägerinteressen handeln. Durch seine Mitwirkung kann der LVR auf die Qualität und Steuerung der bedarfsgerechten Hilfegewährung weitgehend unabhängig von Trägerinteressen Einfluss nehmen und er motiviert und belohnt die Beteiligten zur Kooperation durch zeitnahe Bearbeitung und Entscheidung. Die Hilfeplankonferenz vermittelt bedarfsorientiert und trägerübergreifend zwischen individuellem Hilfebedarf und regionaler Bedarfsdeckung. Die anonymisierten Daten, die sich ändernden Bedarfe und Ressourcen bilden eine Datengrundlage für die Regionalkonferenzen mit den Trägern.

 

Zum Autor: Martin Kresse ist sozialpolitischer Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Landschaftsverband Rheinland

Martin Kresse * Von-Limburg-Str. 5

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