Mein Kommentar zum LVR-Haushalt 2002
5.02.2002
Ist die rheinische Sozialkultur noch zu retten?
Wir beklagen sehr, dass der kommunalen Familie die Einnahmen wegbrechen. Doch zeigt sich, dass alle staatlichen Ebenen erhebliche Steuerausfälle zu verkraften haben. Noch Ende der 60er Jahre hat sich der Staat zu 35 Prozent über die Besteuerung der Gewinne finanziert, heute sind es noch knapp 20 Prozent. Die Großkonzerne brauchen kaum noch Steuern zu zahlen, gleichzeitig steigen bei den Global Player die Gewinne und die Aktionäre werden gut bedient. Wir müssen mehr unternehmen, um die Einnahmegrundlage der Kommunen und der sozialen Sicherungssystem zu verbessern. Sonst droht, dass das Gemeinwesen auf der Strecke bleibt und sozialstaatliche Errungenschaften nicht mehr finanziert werden können. Viele fragen, ist unser rheinischer Kapitalismus am Ende und damit der soziale Friede gefährdet.
Wir im LVR sind nicht nur besorgte Zuschauer, denn mit der gleichen Sorge müssen wir fragen: ist die rheinische Sozialkultur noch zu retten?
Was ist passiert?
Im vergangenen Herbst musste der LVR eine Haushaltssperre aussprechen. Besonders die Bau- und Modernisierungsmaßnahmen im Altenheimbereich waren davon betroffen. Viele Bauvorhaben, seit Jahren geplant, erfolgreich optimiert und vom Sozialausschuss beschlossen wurden angehalten. Zu Recht ging ein Aufschrei durchs Rheinland. Viele haben allgemein die Finanznot der kommunalen Familie gekannt und die sich daraus ergebenen Zwänge aber nicht verstanden. Die vertrauensvolle Beziehung und verlässliche Partnerschaft zu den Trägern der Angebote für alte pflegebedürftige Menschen hat gelitten. Glücklicherweise konnten die Verantwortlichen schnell beruhigt werden, die Bewilligungsbescheide wurden verschickt und jetzt fließt auch das Geld.
Nach dieser kurzen Irritation droht jetzt durch die Verweigerungshaltung der CDU dauerhafter Schaden: wir hatte € 16.600.000 als Verpflichtungsermächtigung ab 2003 beantragt, damit Pflegeheimobjekte weiter gefördert werden können. Alle haben immer den erheblichen Modernisierungs- und Ersatz-Neubaubedarf beschrieben. Ein Stillstand in der Entwicklung zeitgemäßer Pflegeheime darf es nach Meinung von Bündnis 90/Die Grünen nicht geben. Erneut protestieren alte Menschen und die Trägervertreter. Erneut ist die verlässliche Partnerschaft zwischen dem LVR und den Einrichtungsträgern in Gefahr. Da tröstet nicht, zu Recht ans Land zu appellieren: Klar, das Land muss in der Investitionsförderung bleiben. Nur wenn wir selbst mit gutem Beispiel vorangehen und Geld etatisieren vertreten wir dem Land gegenüber glaubwürdig die Position: wir wollen an der Objektförderung festhalten. Nur so bleibt der Druck aufs Land, sich finanziell zu beteiligen. Die Objektförderung eröffnet für die kommunale Familie Steuerungsmöglichkeiten und ist eine kostengünstige Finanzierungsform. Ob eine Novelle des Pflegeversicherungsgesetzes NW eine Änderung bringt, weiß keiner. Veränderungen würden auch erst in einigen Jahren greifen. Die Verweigerungshaltung der CDU verunsichert erneut unsere Kunden und die Verantwortlichen und bedroht die Sozialkultur im Rheinland. Wir wollen verlässlicher Partner sein. Die CDU verspielt Vertrauen. Schlimmer noch, zerstört Vertrauen: Beispiel der Förderung der Werkstätten für behinderte Menschen.
Etwa 5 % will die CDU da streichen, von heut auf morgen will sie den WfbM die Finanzplanung zerschlagen. Im Sozialausschuss hatten wir gefordert, in Zielvereinbarungen und im Rahmen der Qualitätsvereinbarungen nach §93 BSHG mit den Trägern gemeinsam nach Einsparungen zu suchen. Die CDU fährt volle Konfrontation und verprellt die Verantwortlichen, mit denen wir immer gut zusammengearbeitet und die uns als Kommunalverband immer unterstützt haben.
Auch die Verweigerung, deutlich mehr Plätze im Betreuten Wohnen bereit zu stellen erschüttert unsere Glaubwürdigkeit in der Region. Wir sind uns einig: das Betreute Wohnen ist in der Regel die kostengünstigere Hilfe und bietet mehr Selbstbestimmung für die Betroffenen. Der Landesdirektor hat deswegen - unterstützt von Politik und LWL - ab Herbst in einer großen Kampagne deutlich gemacht: um die Kosten in der Eingliederungshilfe in den Griff zu bekommen, müssen wir das Betreute Wohnen zu Gunsten des stationären Angebotes ausbauen und in die alleinige Zuständigkeit des LVRs überführen. Da angesichts der angespannten Haushaltslage die Verwaltung keine freiwilligen Leistungen ausweisen konnte, haben wir die Ausweisung des Betreuten Wohnens um 500 Plätze gefordert, soviel hatten die Gebietskörperschaft Ende des Jahres an Bedarf angemeldet. Aber nein, trotz der Kampagne verweigert die CDU den notwendigen kostengünstigen Ausbau und das zukunftweisende Signal: Ambulant vor stationär. So bleibt die Versorgung in unseren Städten und Gemeinden auf der Strecke und gegenüber dem Land ergeht nur noch ein halbherzige Aufforderung, das BeWo zum LVR hoch zu zonen.
Und noch einen Sparvorschlag haben wir gemacht: wir müssen die Pflegeheimbereiche in Viersen und Bedburg-Hau sozialverträglich schließen, sie machen sozial- und finanzpolitisch keinen Sinn mehr. Richtig war, sie in 1996 zu gründen, damit BewohnerInnen aus den Reha-Bereichen die Vorteile der Pflegeversicherung bekommen und der LVR Eingliederungshilfe sparen kann. Diese Grundlage entfällt aber, da es in Zukunft sterblichkeitsbedingt ehemalige Reha-Bewohner im Pflegeheimbereich nicht mehr gibt. Die Pflegeheimbereiche werden aus Gründen, die die Verwaltung überzeugend dargestellt hat, grundsätzlich defizitär bleiben. Natürlich kritisieren einige örtliche Politiker, dass es keine Subvention mehr in ihrem Bereich gibt. Jeder Träger muss aber drauf achtet, seinen Pflegeheimbereich wirtschaftlich zu führen. Keiner kann seinen Klinikbereich auf Dauer zur Subventionierung heranziehen, weil sonst die Qualität da massiv leidet. Auch ist der Kommunalen Familie nicht zuzumuten, doch auf Kosten des Steuerzahlers die Pflegkassen mit mehreren hundert tausend Euro jährlich durch Trägermitteln zu subventionieren. Wir wollen deshalb einer Anregung des Landesdirektors folgen und diese Pflegeheimbereiche im LVR aufgeben, natürlich mittelfristig: keiner Bewohnerin, keinem Bewohner soll seine Heimat genommen werden und auch die Personalanpassung braucht Zeit, denn Kündigungen soll es nicht geben.
Selbstverständlich haben wir der Fortsetzung des rot-grünen Dezentralisierungsprogramms für Einrichtungen freier Trägen zugestimmt, weil wir Reformen weiter gestalten wollen, aber die CDU im LVR verwaltet nur, besonders ihre Pöstchen.........
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