BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN
Ortsverband Korschenbroich
Mühlenstraße 25
41352 Korschenbroich, den 02.04.1999
Erschüttert und tief betroffen haben wir zur
Kenntnis genommen, dass seit gut einer Woche von der NATO, d.h.
unter Einbeziehung deutscher Soldaten und deutscher Kampfflugzeuge
Luftangriffe auf Jugoslawien geflogen werden. Diese kriegerischen
Aktionen sind offensichtlich die Konsequenz aus der Weigerung
der serbischen Führung um Slobodan Milosevic, dem in Rambouillet
verhandelten Autonomieabkommen für den Kosovo zuzustimmen.
Serbien hat zweifellos bereits in den letzten Wochen - und verstärkt
seit Aufnahme der NATO-Kampfhandlungen - mit seiner Politik der
Demütigung und des Mordens an der albanischen Bevölkerung
und der daraus resultierenden ethnischen Säuberung des Kosovo
eine diplomatisch-politische Lösung des Problems sehr schwer
gemacht.
In den vergangenen Jahren hat die internationale
Staatengemeinschaft durch ihre Ignoranz gegenüber dem unterdrückenden
Vorgehen der serbischen Seite, durch Unterschätzung der menschenverachtenden
und destruktiven Haltung Milosevics, durch uneinheitliches Auftreten
gegenüber Belgrad und durch sein widersprüchliches Taktieren
eine nicht unerhebliche Mitverantwortung für die jüngsten
Eskalationen auf sich geladen. Mit der Entscheidung, die Machthaber
in Belgrad mit militärischer Gewalt zum Frieden zu zwingen,
haben wir uns aber auch selbst schuldig gemacht. Es ging - so
könnten wir vordergründig argumentieren - allein um
eine Güterabwägung. Durch die Luftangriffe wird zwar
in die territoriale Integrität der Republik Jugoslawien eingegriffen
und dabei auch der Tod zahlreicher Serben billigend in Kauf genommen,
andererseits besteht zumindest die Hoffnung, die serbischen Verantwortlichen
von ihrem menschenverachtenden Treiben gegen die albanische Bevölkerung
im Kosovo abzuhalten. Diese Hoffnung hat - so scheint es zumindest
- getrogen.
Ob im Vorfeld der seit gut einer Woche andauernden
militärischen Auseinandersetzungen tatsächlich alles
Menschenmögliche getan worden ist, diesen Krieg zu verhindern,
vermögen wir nicht abschließend zu beurteilen. Fakt
scheint zu sein, dass Angriffe aus der Luft allein die serbische
Regierung nicht zum Einlenken wird bewegen können. Der Einsatz
von Landstreitkräften ist seitens der NATO offenbar (noch)
nicht geplant, wenn auch das Säbelrassen der USA nach der
Gefangennahme der ersten amerikanischen Soldaten auch unüberhörbar
geworden ist. Wir begrüßen ungeachtet dessen jegliche
Aktivitäten, z.B. der russischen Regierung, die die Konfliktparteien
wieder an einen Verhandlungstisch zurückbringen helfen. Mit
einem Einstellen der NATO-Luftangriffe muss nach unserer Auffassung
jetzt ein auch für die serbische Führung unübersehbares
Signal für die Wiederaufnahme diplomatischer Lösungsbemühungen
gesetzt werden.
Als kleiner Ortsverband der grünen Regierungspartei
in Bonn sind wir in der misslichen Lage, den Sieg der Gewalt über
den Verstand auch hier in Korschenbroich vertreten zu sollen.
Wir, die wir unsere politischen Wurzeln nicht zuletzt in der Friedensbewegung
der 70er und 80er Jahre haben, tun uns mehr als schwer damit.
Wir plädieren auch innerparteilich für eine neue diplomatische
Offensive. Wir unterstützen nachdrücklich die Bemühungen
zahlreicher grüner Orts- und Kreisverbände, das Thema
"Kosovo" kurzfristig auf einer Bundesmitgliederversammlung
zu diskutieren.
Unsere Sorge gilt dem Schicksal der an den Luftangriffen
beteiligten deutschen Soldaten. Mit ebenso großer Sorge
beobachten wir aber auch das Schicksal der Vertriebenen aus dem
Kosovo. Die Anrainerstaaten Mazedonien und Albanien, selbst die
Armenhäuser Europas, können das zigtausendfache menschliche
Leid dieser Menschen allein nicht tragen. Wir begrüßen
demzufolge auch die ersten humanitären Hilfsleistungen, die
die Bundesregierung beschlossen hat und die zum Teil auch schon
in die Tat umgesetzt worden sind.
Wir sind uns unserer Ohnmacht bei der Lösung
des Kosovo-Problems wohl bewusst. Dennoch verurteilen wir ausdrücklich
den Anschlag gegen unsere im Kuhlenhof in Korschenbroich untergebrachte
Geschäftsstelle in der Nacht vom 31. März auf den 01.
April 1999. Die Motivation dieses Anschlages ist nach unserer
Überzeugung ganz eindeutig in der aktiven Rolle Deutschlands
in der kriegerischen Auseinandersetzung auf dem Kosovo zu suchen.
Wir bedauern diesen Anschlag um so mehr, als dabei
der Kuhlenhof, das älteste und auch denkmalgeschützte
Gebäude in Korschenbroich, erheblichen Schaden genommen hat.
Wir werden die Eigentümer, die dieses Kleinod mit sehr viel
ideellem und finanziellem Aufwand erhalten haben, nach Kräften
bei der Behebung des Schadens unterstützen. Für Hinweise,
die zur Feststellung des/der Täters/TäterInnen führen,
setzen wir eine Belohnung aus von DM 500,--.
gez. Berthold Tumbrink
(Sprecher des Ortsverbandes)