ist Fraktionsgeschäftsführerin, und
Martin Kresse Sprecher des Arbeitskreises Soziales/Gesundheit
Die Pflegeversicherung wird´s schon richten.
Trotz Skepsis war diese Hoffnung bei grünen SozialpolitikerInnen
weit verbreitet. Alter und Pflegebedürftigkeit sollten nicht
mehr Ursache dafür sein, dass die Betroffenen der Sozialhilfe
anheim fallen. Dahinter verbarg sich nicht nur das selbstlose
Interesse an einer menschenwürdigen Situation für die
SeniorInnen, auch handfeste ökonomische Interesse spielten
eine große Rolle: Örtliche und überörtliche
Träger der Sozialhilfe stöhnten unter der von ihnen
zu tragenden Last. Die Zeche hatten dabei in jedem Fall die Kommunen
zu zahlen, entweder direkt bei der ambulanten Unterbringung oder
indirekt (bei einer stationären) indirekt durch die Landschaftsumlage.
In der langen Debatte um die Ausgestaltung der Pflegeversicherung hatten wir Grüne ein gemeinsames Ziel: Wir wollten keine Erbenschutzeinrichtung, sondern eine qualitative Verbesserung für alte und pflegebedürftige Menschen erreichen. Möglichst vielen Menschen sollte der entwürdigende Sozialhilfebezug erspart bleiben. Ein selbstbestimmtes Leben sollte auch im Alter und bei Krankheit möglich sein.
Wir sehen heute, dass sich die Erwartungen
nur zum Teil erfüllt haben. Richtig ist, dass (auch durch
das Pflegewohngeld) weniger pflegebedürftige Menschen auf
Sozialhilfe angewiesen sind, dass pflegende Familienangehörige
Leistungen erhalten und die kommunale Familie massiv entlastet
wurde. Die örtlichen und der überörtliche Sozialhilfeträger
im Rheinland sparen rd. 1.350 Mio. DM, selbst wenn neue Aufgaben
wie das Pflegewohngeld berücksichtigt werden, müssen
die Sozialhilfeträger jährlich über 850 Mio. DM
weniger aufwenden (Bericht des Landes zum Umsetzung des Pflege-Versicherungsgesetzes)
.
Doch lassen wir uns durch die ökonomischen Fakten nicht den Blick auf die Menschen verstellen, auf die BewohnerInnen der Altenheime und auch auf die Pflegekräfte. Eine Anhörung des Sozialausschusses der Landschaftsversammlung Rheinland hat deutlich gemacht: In den Altenpflegeheimen sehen wir immer häufiger verwirrte alte Menschen, absolut wie prozentual. Je nach Untersuchung und Definition sind 40 % bis 70 % der BewohnerInnen der Pflegeeinrichtungen psychisch erkrankt. Dies hat zwei Ursachen: die steigende Lebenserwartung und der von uns gewünschte Ausbau der ambulanten Hilfesysteme.
Brisant und gefährlich wird diese Entwicklung durch den medizinisch geprägten Pflegebegriff der Pflegeversicherung, der den Pflegebedarf von älteren Menschen mit psychischen Erkrankungen nicht angemessen berücksichtigt. Die Heime erhalten für diese Gruppe nicht den Betreuungsschlüssel, den sie für eine adäquate Betreuung benötigen. Überforderte MitarbeiterInnen sowie Vernachlässigung bis hin zu Menschenrechtsverletzungen und Übergriffen sind die Folge.
Die Bundesregierung hat bereits in einem ersten Schritt auf diesen Missstand reagiert. Die Leistungen für Tages- und Nachtpflege wurden angehoben. Doch das reicht nicht.
Wir können nicht warten, bis die Pflegeversicherung umfassend verbessert wird. Auch die kommunale Familie steht in der Verantwortung und muss jetzt handeln. Hierzu sind im Rheinland bereits konkrete Erfahrungen gemacht worden, nämlich mit dem Landesärztesystem in seiner Beratungs-, Fortbildungs- und Steuerungsfunktion und mit dem Personalzuschlagsverfahren. Diese sollten wieder aufgegriffen werden. Die LandesärztInnen boten den Altenheimen Beratung und Fortbildung an. Dadurch konnte die Qualität der Pflege von Menschen mit Altersdemenz-Erkrankungen deutlich verbessert werden. Dies trägt u.a. dazu bei, dass verwirrte alte Menschen eine angemessenere Pflegestufe erhalten.
Der Landschaftsverband Rheinland gewährte vor Einführung der Pflegeversicherung zudem rund 150 Heimen unter bestimmten baulichen und konzeptionellen Bedingungen einen Zuschlag zur gerontopsychiatrischen Pflege. Die Heime konnten mehr Personal einstellen und somit ihre KlientInnen besser betreuen. Diese Heimen stehen auch nach Einführung der Pflegeversicherung besser da, weil sie noch heute höhere Pflegesätze erhalten. Im Hinblick auf die Einführung der Pflegeversicherung erhielten die LandesärztInnen neue Aufgaben, und der Geronto-Zuschlag wurde abgeschafft. Heute sehen wir, dass im Interesse der Menschen beides wieder vonnöten wäre. Wir wünschen uns die Rückkehr zu den alten Standards.
Die Sozialhilfeträger haben eine sozialpolitische Verpflichtung. Die Pflegeversicherung war nie als Vollkaskoversicherung geplant, immer waren Zuzahlungen von privater oder öffentlicher Seite vorgesehen. Und immer noch begründet das individuelle Bedarfsdeckungsprinzip den Rechtsanspruch auf "Hilfe zur Pflege" nach § 68 BSHG. Zudem wurde bei Verabschiedung der Pflegeversicherung im Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat vereinbart, dass rund die Hälfte der Einsparungen wieder in den Bereich der Pflege investiert werden sollen. Bis heute sind es laut Bericht des Landes zum Umsetzung des Pflege-Versicherungsgesetzes nur 37 % .
Wenn wir die Situation der dementen Menschen
verbessern wollen, müssen wir jetzt handeln. Im Herbst kommt
es zu Gesprächen zwischen den Landschaftsverbänden und
den kommunalen Spitzenverbänden. Die CDU hat unsere Antragsinitiativen
zum Wiederaufleben des Landesärztesystem und des Gerontozuschlags
während der letzten Haushaltberatungen in der Landschaftsversammlung
Rheinland abgeschmettert. Wir sollten die CDU in den Pflegekonferenzen
und den örtlichen Sozialausschüssen zu einem klaren
Bekenntnis zwingen. Die beiliegende Musterresolution könnte
dabei hilfreich sein. Wir fordern darin den Landschaftsverband
Rheinland auf, das Personalzuschlagsverfahren wiederaufzunehmen
und die LandesärztInnen in ihren Beratungs- Fortbildungs-
und Steuerungsfunktion vermehrt einzusetzen. Die Kommunalen Spitzenverbände
sollen mit dem Landschaftsverband entsprechende Vereinbarungen
treffen.
Die Grüne Fraktion in der Landschaftsversammlung hält
zudem ein kleines Infopaket für alle bereit, die sich intensiver
über das Landesärzteprogramm oder den Gerontozuschlag
informieren wollen. Es kann unter T. 0221- 809 33 68 angefordert
werden. Zudem veranstalten wir am Dienstag, 7. November 00 von
15 - 19 Uhr im Landeshaus Köln-Deutz eine Fachveranstaltung
für die Kommunalfraktionen.
Der Pflegeversicherung liegt ein Begriff von
Pflege zugrunde, der nicht den Pflegebedarf von älteren Menschen
mit psychischen Erkrankungen angemessen berücksichtigt. Dies
führt dazu, dass demente Menschen oft nicht die Pflege und
Betreuung erhalten bzw. finanziert bekommen, die sie aufgrund
ihrer Bedürfnisse und Erkrankung benötigen. Mit der
wachsenden Zahl von dementen Menschen in den Altenheimen verschärft
sich der Mangel. Selbst hochmotiviertes Pflegepersonal kann dies
nicht dauerhaft ausgleichen: Vernachlässigung bis hin zur
Übergriffen gegen Menschen mit Demenzerkrankung sind die
Folge.
Festzustellen ist, dass sich die Versorgung
im Rheinland nach der Einführung der Pflegeversicherung für
demente Menschen verschlechtert hat. Durch die Fortbildungs- und
Beratungsangebote der Landesärztinnen und -ärzte, die
der Landschaftsverband Rheinland vorhielt, konnte in der Vergangenheit
die Qualität in den Einrichtungen verbessert werden. Zudem
gewährte der Landschaftsverband Rheinland bis 1996 Einrichtungen
mit besonderem pflegerischen, konzeptionellen und baulichen Hilfsangebot
für demenzkranke Menschen einen Personalzuschlag. Rund 150
Einrichtungen können deshalb noch heute aufgrund der damaligen
Regelung durch höhere Pflegesätze mehr Personal und
angemessene Hilfen vorhalten.
Durch die Einführung der Pflegeversicherung
wurden diese Programme bisher nicht fortgeführt. Eine Ungleichbehandlung
der Pflegeeinrichtungen und der von ihnen betreuten Menschen ist
die Folge. Angesichts der sich verschärfenden Situation fordern
wir den Bundesgesetzgeber auf, den besonderen Bedürfnissen
demenzkranker Menschen im SGB XI Rechung zu tragen.
Doch auch die kommunale Familie ist in der
Verantwortung: Sie hat unverändert nach BSHG in der Altenhilfe
eine Gewährleistungspflicht und als einzige öffentliche
Hand finanziell von der Pflegeversicherung profitiert. Bisher
wurden nur 37 % (Bericht der Landesregierung zur Umsetzung PfG
NW), nicht 50 % wie im Bundesratsverfahren verabredet, reinvestiert.
Wir fordern daher den Landschaftsverband
Rheinland auf, dass Personalzuschlagsverfahren wiederaufzunehmen
und dazu die Landesärzte mit ihren Beratungs-, Fortbildungs-
und Steuerungsfunktion vermehrt einzusetzen.
Die kommunalen Spitzenverbände werden
aufgefordert, mit dem Landschaftsverband Rheinland entsprechende
Absprachen zu treffen.