Für den Rheinbeisser , dem Halbzeitbericht der grünen LVR-Fraktion: Gesundheitsbereich

Autor: Martin Kresse

15. März 1997

Zur Weiterentwicklung der psychiatrischen Versorgung

und der Rheinischen Landeskliniken:

Dezentral und bürgernah

In den Bündnisvereinbarungen zwischen Bündnis 90/DIE GRÜNEN und SPD hatten wir vereinbart:

"Die Psychiatriepolitik des LVR soll sich auch weiterhin an sozialpsychiatrischen gemeindenahen Konzepten orientieren.

Generelles Ziel ist die Fortsetzung der Dezentralisierung an allen Klinikstandorten, sowie die Einbindung in die bestehenden und zu entwickelnden örtlichen Versorgungskonzepte. Dies bedeutet für die Reha-Bereiche die Verkleinerung und Auslagerung der Langzeitstationen aus den Landeskliniken.

Dazu bedarf es einer Weiterführung des Investitions-Programmes."

Die LVR-Verwaltung hatte lange Zeit als Umsetzung obiger Programmatik die Umwandlung der Landeskliniken in "Psychiatrische Gesundheitszentren" favorisiert. Wir sahen darin die Gefahr einer Renaissance der Anstaltspsychiatrie mit modernem Etikett.

Deswegen haben wir dieser Konzeption unsere "Leitlinien zur Weiterentwicklung der Psychiatrischen Versorgung im Rheinland" entgegengesetzt, die im Dezember 97 vom Gesundheitsausschuß gegen die Stimmen der CDU verabschiedet wurden.

Daran orientiert wird die Verwaltung die Ziel- und Liegenschaftsplanung für jede einzelne Klinik formulieren.

Zur konkreten Umsetzung der Weiterentwicklung psychiatrischen Versorgung und der Rheinischen Landeskliniken sind erstmal Investitionen notwendig, die wir für den Haushalt 97 mit der SPD verabredet haben:

Neben der fachlichen Notwendigkeit sind wir uns sicher, daß mittel- und langfristig unsere Politik zu einer Verringerung der Kosten für die kommunalen Haushalte führt. Dies haben Berechnungen zum 70 Millionen-Enthospitalisierungsprogramm gezeigt.

Die Leitlinien für die Psychiatrische Versorgung im Rheinland haben grundsätzliche Bedeutung für die nächsten Jahre, denn: Im Interesse der psychisch kranken Bürgerinnen und Bürger muß der bisher eingeschlagene Weg weitergegangen werden, die Landeskrankenhäuser zu dezentralisieren und die gemeindenahe psychiatrische Versorgung auszubauen. Diese Weiterentwicklung muß fortgesetzt werden, auch wenn es dabei an die Kliniksubstanz geht. Auf dieses Problem will Bündnis 90/DIE GRÜNEN nicht mit Schwammigkeit, nicht mit einer Rückwärtsgewandtheit oder gar mit dem Verzicht auf Reformen reagieren, sondern durch eine Verkleinerung der Infrastrukturbereiche, die Verwertung der freiwerdenden Liegenschaften und nicht zuletzt durch sozial-verträgliche Lösungen für die MitarbeiterInnen.

Orientiert am regionalen Bedarf sollten soviel wie möglich stationäre Betten durch tagesklinische oder ambulante Hilfen ersetzt werden, d.h. mindestens 20% der Gesamtkapazität soll als Tagesklinikplätze vorgehalten werden.. Wir legen Standardversorgungsgebiete von 150.000 Einwohnern zugrunde, damit eine wohnort- und gemeindenahe Behandlung möglich ist und regionale Bezüge der Bürgerinnen und Bürger gegeben bleiben. So erreichen wir endlich Versorgungsbedingungen, wie sie bei körperlich Erkrankten schon lange üblich sind. Auch die vorhandenen Angebote im Bereich der Pflege werden weiter verkleinert. Überregionale Angebote z.B. im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie oder Forensik sollen so konzipiert werden, daß auch sie einen gemeindenahen und regionalen Bezug ermöglichen. Bei der räumlichen Umsetzung obiger Maßnahmen ist auf räumlich kleine Gesamteinheiten und eine die therapeutischen Aufgaben unterstützende Architektur zu achten.

Ein Prinzipienstreit zwischen den Angebotsformen einer psychiatrischen Abteilung am Allgemeinkrankenhaus oder einem psychiatrischen Fachkrankenhaus halten wir für überflüssig: der Vorteil der psychiatrischen Abteilung liegt in der geringen Stigmatisierung der Patienten, der Vorteil des Fachkrankenhauses in seiner größeren Differenzierungsmöglichkeit. Allerdings: In unseren Großeinrichtungen sind die richtigen Angebote am falschen Ort!

Das sozialpsychiatrische Konzept unserer Angebote soll sich orientieren am Bedarf des Individuums und die soziale Integration durch beziehungsorientierte Behandlung fördern. Ziel ist Kundenorientierung und Nutzerzufriedenheit, die systematisch zu überprüfen ist durch Patienten, Ombudsleute und Politik.

Ziel der weiteren Entwicklung sollte sein, bedarfsgerechte, differenzierte, gemeindeintegrierte und im Verbund arbeitende Hilfen zu entwickeln. Um die Verzahnung klinikeigener und Angeboten anderer Träger zu verbessern, sind eine enge Kooperation und verbindliche Absprachen notwendig. Sie haben zum Ziel, daß auch im Bereich der komplementären psychiatrischen Versorgung auch für schwierige und Mehrfachbehinderte eine Versorgungsverpflichtung besteht.

Die Entwicklung von zusätzlichen, nicht klinisch-stationären Versorgungsangeboten ist eng an den sozialrechtlichen Grundsatz der Nachrangigkeit öffentlicher gegenüber freigemeinütziger Träger geknüpft. Diese Angebote sind so auszustatten, daß chronisch psychisch kranke Menschen ihren Lebensmittelpunkt grundsätzlich außerhalb von Großeinrichtungen in der Bürgerschaft haben können.

Wir sind uns sicher bzw. wollen dafür werben, daß die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterhin die Interessen der Patienten an einer zeitgemäßen und fortschrittlichen psychiatrischen Versorgung unterstützen. Dabei sollen ihre eigenen Interessen nicht zu kurz kommen: Wir wollen betriebsbedingte Kündigungen vermeiden und Mobilitätshilfen geben, wie sie auch in anderen Branchen und Regionen bei strukturellem Wandel üblich sind.

Martin Kresse * Von-Limburg-Str. 5

41352 Korschenbroich * Tel 02166/83904 Fax 135680
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