Abs.: Kreistagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Schulstr. 1, 41460 Neuss

An den Vorsitzenden des Sozial- und Gesundheitsausschusses

Herrn Dr. Klose

Neuss, den 2.6.1997

Sehr geehrte Damen und Herren,

sehr geehrter Herr Dr. Klose,

wir bitten Sie, den nachstehenden Anfrage zur Schuldnerberatung auf die Tagesordnung des kommenden Sozial- und Gesundheitsausschusses zu setzen.

Nach verschiedenen Untersuchungen (u.a. Landessozialbericht NRW, Band 4: Verschuldung, Überschuldung und Schuldnerberatung, Dezember 1993) kann davon ausgegangen werde, daß ca. 5% aller Haushalte in der Bundesrepublik überschuldet sind.

Ursachen der Verschuldung sind vor allem Arbeitslosigkeit, aber auch Trennung, Scheidung unzureichende Finanzplanung.

Die Beratung überschuldeter Menschen ist heute eine notwendige und sinnvolle Hilfe. Notwendig ist sie, weil die vielen überschuldeten Menschen ohne Schuldnerberatung häufig kaum eine Chance mehr haben ihre Selbsthilfekräfte zu aktivieren und ihre psychische Belastung immer mehr zunimmt. Sinnvoll ist Schuldnerberatung, weil die sozialen Kosten als Folge einer nicht bewältigten Überschuldung ungleich höher sind als die Kosten der Beratung. "Schuldnerberatung ist ein Musterbeispiel für eine höchst rentable Rehabilitationseinrichtung im Sozialwesen. ... Eine sanierte Familie im Jahr deckt die kompletten Jahreskosten eines Schulnerberaters." Aussagen des Pforzheimer Oberbürgermeister Becker in seinem Buch "Der erschöpfte Sozialstaat", S. 48).

Die Finanzierung der Schuldenerberatungsstellen soll auch durch den 1993 neu geschaffenen § 17 BSHG erreicht werden. § 17 BSHG verstärkt nach dem Willen des Gesetzgebers "den vorbeugenden Charakter der Sozialhilfe"(lt. Begründung des Regierungsentwurfs, BR-Drucksache 121/93 vom 5.3.93, S. 205). Im §17 BSHG heißt es: "Die Vermeidung und Überwindung von Lebenslagen, in denen die Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt erforderlich oder zu erwarten sind, soll durch Beratung und Unterstützung gefördert werden, ... . Ist die weitere Beratung durch eine Schuldnerberatungsstelle .... geboten, ist auf ihre Inanspruchnahme hinzuwirken. Angemessene Kosten einer Beratung nach Satz 2 sollen übernommen werden, wenn eine Lebenslage im Sinne von Satz 1 sonst nicht überwunden werden kann, in anderen Fällen können die Kosten übernommen werden." Bei der Kostenübernahme der Schuldnerberatung handelt es sich um eine Soll-Vorschrift, die aus dem Zusammenhang der Regelungen zur persönlichen Hilfe (§§ 11, 12 in Verbindung mit §17 BSHG) eine Pflichtaufgabe des örtlichen Sozialhilfeträgers darstellt.

Da sich die Verschuldungssituation leider in den nächsten Jahren eher verstärken wird und auch durch das neue "Verbraucherentschuldungsverfahren" mit dem ab 1.1.99 gültigen Insolvenzrecht auf die Schuldnerberatungsstellen weitere wichtige Aufgaben zukommen ist Informations- und Handlungsbedarf gegeben. Der Kreis Aachen z.B. hat in Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft der Träger der Freien Wohlfahrtspflege im Kreis Aachen das "Konzept zur flächendeckenden Versorgung für verschuldete Haushalte unter Berücksichtigung des § 17 des BSHG" vorgelegt (siehe Anlage).

Auf dem Hintergrund der oben geschilderten Sachlage bitten wir bitten um Beantwortung folgender Fragen im nächsten Sozial- und Gesundheitsausschuß:

  1. Wie ist die Entwicklung der für die Verschuldung relevanten gerichtlichen Verfahren im Kreisgebiet (Mahn- und Vollstreckungsbescheide, eidesstattliche Versicherungen, Räumungsklagen)?
  2. Wieviel Schuldnerberatungsstellen gibt es im Kreis Neuss? Wieviel Personaleinsatz bedeutet das bzw. wie hoch ist der Stundeneinsatz?
  3. Wie viele Menschen suchen Schuldnerberatung auf? Wie wird ihre Arbeit angenommen? Arbeiten diese Beratungsstellen mit Wartelisten?
  4. Wie werden im Kreis Neuss die Schuldnerberatungsstellen durch den Sozialhilfeträger finanziert?
  5. Wie ist der Umgang der Sozialämter im Kreis Neuss mit verschuldeten Menschen? Gibt es Richtlinien des Kreises, die verschuldeten Haushalten helfen?
  6. Der Kreis Neuss ist Träger der örtliche Sozialhilfe. Wie stellt er kreisweit, dezentrale und kundenfreundliche Schuldnerberatung sicher? Gibt es Absprachen zwischen Kreis Neuss und den Kommunen und den freien Trägern in dieser Sache?
  7. Wieviel Sozialhilfeempfänger erhalten ihre Zuwendung postbar?
  8. Gibt es im Kreisgebiet flächendeckend die Möglichkeit für jeden Sozialhilfeempfänger die Leistung auf ein Konto zu erhalten?
  9. Auch das Sparkassengesetz NRW, das am 8.3.94 geändert wurde bietet Finanzierungsmöglichkeiten für Schuldnerberatungsstellen. § 3 des Sparkassengesetzes lautet: "... die Sparkassen tragen zur Finanzierung der Schuldnerberatung in Verbrauch- und Schuldnerberatungsstellen bei; die Gewährträger entscheiden über den Umfang und die Verteilung dieser Mittel an die Träger der Beratungsstellen". Wie werden auf Grund des Sparkassengesetzes im Kreis Neuss die Schuldnerberatungen finanziert?
  10. Wie bewertet die Kreisverwaltung das "Konzept zur flächendeckenden Versorgung für verschuldete Haushalte unter Berücksichtigung des § 17 des BSHG, vorgelegt von der Konzeptgruppe Schuldnerberatung der Arbeitsgemeinschaft der Träger der Freien Wohlfahrtspflege im Kreis Aachen?

Martin Kresse * Von-Limburg-Str. 5

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