Aus Süddeutsche Zeitung NRW vom 28.6.03

Landespflegegesetz in der Diskussion
Heimplätze für Senioren werden teurer
Kommunen befürchten höhere Ausgaben / Grüne rechnen mit Bettenburgen für Alte

Von Rita Münck

Düsseldorf – Die Grünen im Landschaftsverband Rheinland (LVR) verbinden mit der geplanten Novelle des Landespflegegesetzes Horrorvisionen: Sie befürchten riesige Bauten mit unendlich langen Gängen, in denen hunderte Alte in Mehrbettzimmern ihren Lebensabend verbringen müssen. Mit ihren Mutmaßungen stehen die Grünen nicht alleine da. Längst ist um das neue Landespflegegesetz, das Mitte 2003 in Kraft treten und dessen erster Entwurf in Kürze auf dem Tisch liegen soll, eine heftige Diskussion entbrannt.

Ziel der Sozialdemokraten im Land ist es nämlich, unter anderem die finanzielle Förderung von Pflegeheimen ganz dem freien Kapitalmarkt zu überlassen. Bislang haben die Landschaftsverbände Rheinland und Westfalen- Lippe die Investitionen der Träger unter bestimmten Voraussetzungen zu 50 Prozent durch zinslose Darlehen mitfinanziert. Fällt das weg, müssen die Heimträger teure Kredite aufnehmen. Der Mehraufwand würde die Kommunen treffen, die sich über das so genannte Pflegewohngeld an den Investitionen beteiligen. Werden die Kreditkosten größer, müssen die Heimbewohner tiefer in die eigene Tasche greifen. Während ein Pflegeplatz derzeit im Schnitt etwa 2500 Euro pro Monat kostet, werden die Ausgaben Experten zufolge mit der Gesetzesnovelle auf 3000 Euro und mehr steigen. Wer das nicht aufbringen kann, bittet sein örtliches Sozialamt zur Kasse. Die Kommunen befürchten eine Kostenlawine.

Immenser Investitionsstau

Kommunale Spitzenverbände sowie die Landschafts- und Wohlfahrtsverbände sind deshalb in heller Aufregung: Just an diesem Freitag will die Freie Wohlfahrtspflege NRW ein Positionspapier an die Landtagsfraktionen und den für Soziales zuständigen Minister Harald Schartau (SPD) verschicken. Ihre Forderungen sind eindeutig formuliert. "Auch künftig sollen Menschen bedarfsgerecht in nordrhein-westfälischen Heimen alt werden können. Damit das für die Träger und Kommunen bezahlbar bleibt, muss auch das Land seinen Beitrag leisten", fordert Jörg Steinhausen, Vorsitzender der Freien Wohlfahrtspflege NRW. Stelle sich das Land nicht seiner Verantwortung, werde man die Finanzsituation der Kommunen bald am Zustand ihrer Altenheime ablesen können, mutmaßt Steinhausen.

Schon heute beträgt der Investitionsstau im Bereich der stationären Pflege nach Auskunft der Landschaftsverbände 3,75 Milliarden Euro. Viele Heime entsprechen nach den Worten von Martina Hoffmann-Badache, Dezernentin für Soziales beim LVR, nicht den Förderkriterien ihres Verbandes: Der verlangt Standards wie maximal zwei Betten pro Zimmer, Nasszelle in jedem Raum, 50 Quadratmeter pro Person sowie bei Neubauten eine Kapazität von maximal 80 Plätzen und einen Einzelzimmer-Anteil von 80 Prozent. "Der Bedarf an Plätzen steigt aufgrund der demografischen Entwicklung", sagt Andrea Asch, Fraktionssprecherin der Grünen im LVR. Eine Milliarde Euro müsse für notwendige Neubauten aufgebracht werden. Derzeit aber passiere nichts: "Alle warten auf das neue Gesetz."

Wenn sich durchsetzt, was derzeit an Eckpunkten bekannt ist, rechnen die Experten nicht nur damit, dass auf die Kommunen höhere Ausgaben zukommen, sondern auch damit, dass der Pflegemarkt insgesamt aufgemischt wird. "Weil eine Bedarfssteuerung seitens der Landschaftsverbände wegfällt, werden Heime dort entstehen, wo und auch wie es den Trägern passt", sagt Asch. Ihre Furcht vor Bettenburgen außerhalb der Stadtzentren ist nicht unbegründet. Beim Bauamt der Stadt Köln liegt bereits ein Antrag für ein 300-Plätze-Altenheim in einem Gewerbegebiet in der Schublade.

Martin Kresse * Von-Limburg-Str. 5

41352 Korschenbroich * Tel 02166/83904 Fax 135680
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