Konzept für die
Unterbringung von
Flüchtlingen in Neuss
Dezember 1996
Bündnis 90 /DIE GRÜNEN, 41460 Neuss, Schulstraße 1
Autor: Agnes Groschke (02131/466022)
und Ralf Becker
(02131/273960)
Gliederung:
I. Migration als Problem in Gegenwart und
Zukunft
II. Kommunale Flüchtlingspolitik
III. Unterbringung
1. Grundsätzliches
2. Gemeinschaftsunterkünfte
2.1. Standort
2.2. Struktur
2.3. Belegungsgröße
2.4. Ausstattung
3. Private Unterbringung
4. Bedarfsanalyse
IV. Betreuung
1. Gemeinschaftsunterkünfte
2. Private Unterbringung
3. Patenschaften
4. Gesundheitliche Versorgung
V. Grundleistungen
VI. Wirtschaftlichkeit der Unterbringung
Konzept für die Unterbringung
von Flüchtlingen in Neuss
I. Migration als Problem in Gegenwart und Zukunft
Die Bundesrepublik Deutschland ist Ziel von Zuwanderungen und damit de facto ein Migrationsland. Bei diesen Zuwanderern handelt es sich um Aussiedler aus den osteuropäischen Ländern sowie um Flüchtlinge, die bedingt durch Kriege, politische Verfolgung, Umwelt-katastrophen oder sexuellen Mißbrauch nicht länger in ihrer Heimat leben können. Hinzu kommen Migrationsprozesse vor dem Hintergrund des gewaltigen Nord/Süd-(Wohlstands)- gefälles.
Rücksichtsloses wirtschaftliches Wachstumsstreben, die Konzentration des Reichtums auf ein Viertel der Bewohner der Erde sind Ursachen globaler Sozial- und Umweltprobleme. Der Wohlstand der Bundesrepublik ist auch auf Kosten der Entwicklungsländer entstanden., somit sind auch die Industriestaaten wie die BRD Mitverursacher von Fluchtbewegungen.
Es ist davon auszugehen, daß Migration und Flüchtlingsströme keine Phänomene mit lediglich temporärem Charakter darstellen, sondern Probleme sind, deren Umfang in den nächsten Jahrzehnten eher zu- als abnehmen wird und in die die europäischen Staaten als Zielländer zunehmend stärker involviert werden.
Die BRD ist sicherlich nicht in der Lage, alle diese Flüchtlinge aufzunehmen. Dies würde ihre Leistungskraft bei weitem überfordern. Angesichts ihres Wohlstandes fällt ihr hier jedoch eine besondere Verantwortung zu. Dieser Verantwortung muß sie sich -unabhängig von eigenen wirtschaftlichen und sozialen Problemen- stellen. Hierzu bedarf es einer auf Solidarität und Toleranz beruhenden Migrations- und Flüchtlingspolitik.
II. Kommunale Flüchtlingspolitik
Wenngleich die gesetzlichen Regelungen für die Zuwanderung und Flüchtlingsaufnahme dem Bund bzw. den Ländern obliegen, sind in diesem Zusammenhang in erster Linie die Kommunen gefordert: sie müssen die Aufnahme der Flüchtlinge bewerkstelligen, sie müssen die erforderlichen Unterkünfte bereitstellen, und sie sind es, die die entscheidenden Weichen für eine Integration der Flüchtlinge und die dafür erforderliche Akzeptanz bei den Bürgern stellen müssen.
Ihr zentrales Problem dabei ist, immer wieder deutlich machen zu müssen, daß viele dieser Flüchtlinge hier bleiben werden, weil sie aus humanitären und/oder technischen Gründen nicht oder zumindest derzeit nicht in ihr Heimatland zurückkehren können: die Flüchtlinge von heute sind die Nachbarn von morgen.
Integration von Minderheiten kann nur gelingen, wenn die
besondere Situation der Zugewanderten Berücksichtigung findet
und zur Grundlage eines gegenseitigen Verstehens wird. Hierzu
bedarf es einer solidarischen Gesellschaft, denn Integration ist
kein Verwaltungsakt des Staates, der den Menschen aufgezwungen
werden kann, sondern etwas, das Menschen Tag für Tag immer
wieder neu leben und vollziehen müssen.
Kommunale Flüchtlingspolitik muß somit eine duale Ausrichtung haben: zum einen muß sie die nötige Aufnahme-Infrastruktur schaffen und die hier untergebrachten Menschen materiell versorgen; und zum anderen muß sie sowohl bei den Flüchtlingen als auch bei den Bürgern und Bürgerinnen der Aufnahmegemeinde die geistigen und sozialen Grundlagen für eine spätere Integration schaffen.
III. Unterbringung
1. Grundsätzliches
Nach § 53 Abs. 1 des AsylVfG soll die Unterbringung von
Flüchtlingen und Asylbewerbern in Gemeinschaftsunterkünften
erfolgen. Zur Zeit stehen in Neuss 8 diesbezügliche
Einrichtungen zur Verfügung:
Bergheimer Str. 250
An der Schleppbahn 5
Schwannstr. 6
Finkenstr. 40
Bataver Str. 80
Am Hochofen 40/42 44/46
Königsberger Str. 9
Rosellener Schulstr. 9
Von-Waldthausen-Str. 52/54
Für diese Unterkünfte gelten folgende Grundsätze:
1. sie müssen ihren Bewohnern ein menschenwürdiges Leben garantieren
2. Unterkünfte, die diese Voraussetzung nicht (mehr) erfüllen, werden durch entsprechende Bauunterhaltungsmaßnahmen umgestaltet oder -sollte dies nicht mehr möglich sein- geschlossen
3. kleinere Mißstände werden im Zuge regelmäßiger Wartungs- und Reparaturarbeiten behoben
4. die Verwaltung erstellt für jede Unterkunft einen
Entwicklungsplan in bezug auf eine weitere strukturelle
Verbesserung.
Schlägt die Verwaltung dem Rat neue Objekte für die
Unterbringung von Asylbewerbern vor, so hat sie sicherzustellen,
daß weder durch die Lage des Objektes noch durch die Form der Unterbringung
die Menschenwürde der zukünftigen Bewohner verletzt wird.
Hierbei gilt, daß eine Unterbringung in
Gemeinschaftsunterkünften möglichst in feststehenden Häusern
zu erfolgen hat. Eine längere Unterbringung in Wohncontainern
stellt keine menschenwürdige Unterbringung dar. Die
Unterbringung in einem Wohncontainer kann nur eine
Übergangslösung darstellen, die auf 6 Monate zu begrenzen ist.
Die durch § 53 AsylVfG vorgegebene Unterbringung der
Asylbewerber in Gemeinschaftsunterkünften stellt nur eine
Soll-Vorschrift dar, die den einzelnen Kommunen -auch in bezug
auf Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG- gewisse Spielräume
in Richtung auf eine Unterbringung in privaten Wohnungen
einräumt. Diese Spielräume müssen - insbesondere für Familien-
genutzt werden. Im Zuge einer privaten Unterbringung können
aufgrund des unmittelbaren nachbarschaftlichen Bezuges
persönliche Kontakte geknüpft werden, durch die Vorbehalte ab-
und Vertrauen aufgebaut werden kann. Auf diese Weise wird der
einzelne Bürger in die Verantwortung für die
Flüchtlingsaufnahme miteinbezogen. Durch das Erleben der Flüchtlingsaufnahme
im persönlichen Umfeld wird diese für den Bürger transparenter
und in ihrer humanitären Notwendigkeit nachvollziehbarer und
verständlicher.
2. Gemeinschaftsunterkünfte
2.1. Standort
Die Unterbringung erfolgt dezentral über das Stadtgebiet
verteilt. Meßgröße hierfür ist die Zahl der untergebrachten
Flüchtlinge zur Einwohnerzahl des Stadtbezirks. Dabei sind
allerdings die besonderen Belastungen einzelner Stadtteile zu
berücksichtigen. Als Beispiel sei hier auf vorhandene
Obdachlosenunterkünfte verwiesen.
2.2. Struktur
Die bisherigen Erfahrungen bei der Unterbringung von
Aussiedlern und ausländischen Flüchtlingen haben gezeigt, daß
die Sozialverträglichkeit der Unterbringung am besten
gewährleistet ist, wenn die Unterkunft wohnungsähnlich
strukturiert ist. So lassen sich vorhandene Konfliktpotentiale reduzieren.
Insbesondere jene Streitigkeiten, die sich in
nicht-wohnungsähnlich strukturierten Übergangsheimen immer
wieder in den Gemeinschaftsbereichen (Küchen und
Sanitärbereiche) entzünden, werden durch diese Form der
Unterbringung weitgehendst vermieden. Sollte eine wohnungsähnliche
Strukturierung in Ausnahmefällen nicht möglich sein, ist einem
möglichen Verlust von Sozialverträglichkeit durch eine
geringere Belegungsgröße und eine höhere Anzahl von Gemeinschaftseinrichtungen
entgegenzuwirken.
2.3. Belegungsgröße
Mit Zunahme der Zahl der Menschen, die in einem Übergangsheim
untergebracht werden müssen, nimmt die Sozialverträglichkeit
ab. Deshalb wird für zukünftige Unterkünfte eine Belegung mit höchstens
100 Personen angestrebt. Vorhandene Übergangsheime, die noch
länger genutzt werden sollen, diese Bezugsgröße jedoch
überschreiten, werden - baldmöglichst - auf die maximale
Belegungsgröße von 100 Personen zurückgeführt.
2.4. Ausstattung
Die Gemeinschaftsunterkünfte sind so einzurichten, daß die Bewohner ihre grundlegenden individuellen Bedürfnisse befriedigen können. Hierzu zählen Gesundheits- und Körperpflege, Religionsausübung, Kommunikation sowie kulturelle und sportliche Betätigung.
Sanitäranlagen: Jede Wohneinheit soll über eine eigene Sanitärzelle mit Dusche und WC verfügen. Sollte dies im Einzelfall nicht möglich sein, so ist die Benutzerzahl der gemeinschaftlichen Sanitäreinrichtungen möglichst niedrig zu halten.
Küchen: Jede Wohneinheit soll mit einer Kochgelegenheit ausgestattet sein. Sollte dies im Einzelfall nicht möglich sein, so sind mehrere Gemeinschaftsküchen einzurichten, so daß auch hier die jeweilige Benutzeranzahl möglichst niedrig gehalten werden kann.
Waschräume: Jede Unterkunft soll zumindest über zwei jederzeit zugängliche Waschräume inklusive Waschmaschinen verfügen.
Gemeinschaftsräume:: Jede Unterkunft soll über Gemeinschaftsräume verfügen. Diese fungieren als Begegnungsstätte sowie als Veranstaltungsräume für Feiern oder andere Aktivitäten.
Sporteinrichtungen: Jede Unterkunft soll über Möglichkeiten zur sportlichen Betätigung verfügen (z. B. Bolzplatz, Volleyballfeld...).
Zudem sollte sich in unmittelbarer Nähe jeder Gemeinschaftsunterkunft ein öffentlich zugängliches Telefon befinden. Sollte dies nicht gewährleistet sein, setzt sich die Verwaltung mit der Telekom (oder einem anderen Anbieter) in Verbindung, um über die Aufstellung einer neuen Telefonzelle zu verhandeln.
Die Gemeinschaftsunterkünfte müssen überdies spezielle Einrichtungen für Kinder enthalten.
3. Private Unterbringung
Leistungsempfängern nach § 2 AsylbLG wird -wenn der Wohnraum
angemessen ist- in der Regel die Anmietung von privaten Wohnraum
gestattet. Privater Wohnraum kann aber auch Leistungsbewerbern
nach § 1 AsylbLG zugänglich gemacht werden. Voraussetzung
hierbei ist, daß bei ihnen von einem längeren Aufenthalt
ausgegangen werden kann. Gemäß der Entscheidungspraxis des
Bundesamtes bzw. der Verwaltungsgerichte und der
ausländerrechtlichen Maßnahmen in Folge eines negativen
Bescheides nach einem Asylverfahren ist dies in der Regel bei
Flüchtlingen aus dem Irak, dem Iran, aus Afghanistan und aus Sri
Lanka sowie bei staatenlosen Palästinenser der Fall. Ähnliches
gilt für Flüchtlinge aus anderen Herkunftsländern, bei denen
aus individuellen Gründen mit einem längeren Verbleib zu
rechnen ist.
Unter Ausschöpfung dieses Spielraumes ist eine Zuweisung von privatem Wohnraum grundsätzlich für alle Personen möglich, deren voraussichtlicher Aufenthalt zumindest ½ Jahr dauern wird. Primär zu berücksichtigen sind hier Familien.
Privater Wohnraum soll ferner Personen zur Verfügung gestellt
werden, die gemäß eines vom Gesundheitsamt zu prüfenden
ärztlichen Attestes aus gesundheitlichen Gründen nicht in Gemeinschaftsunterkünften
wohnen können.
Im Hinblick auf diese Vorgaben richtet die Verwaltung eine Wohnungsbörse für bedürftige Wohnungssuchende ein. Hier können sich alle Interessierten melden, die über geeigneten leerstehenden Wohnraum verfügen. Nach der entsprechenden Prüfung mietet die Verwaltung diesen Wohnraum für einen Zeitraum von zumindest 3 Jahren an. In den so zur Verfügung stehenden Wohnungen können u. a. Leistungsberechtigte nach § 2 sowie Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG, auf die obige Voraussetzungen zutreffen, untergebracht werden. Als Mietobergrenze fungieren dabei die Mittelwerte des Mietspiegels.
Darüber hinaus soll die Wohnungsbörse auch dem Zweck dienen,
anderen bedürftigen Wohnungssuchenden in der Stadt Neuss
geeigneten Wohnraum zu verschaffen.
Da zu vermuten ist, daß geeigneter privater Wohnraum auf dem
freien Wohnungsmarkt, zumindest in der Startphase, nicht in
ausreichendem Maße zur Verfügung stehen wird, sollen hier auch Wohnungen,
die im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus erstellt wurden,
einbezogen werden. Zu diesem Zweck arbeitet die Verwaltung u. a.
mit dem Neusser Bauverein zusammen.
Dabei können neben Leistungsberechtigten nach § 2 AsylbLG auch Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG einen Wohnberechtigungsschein erhalten. Der jüngsten Rechtsprechung zufolge gilt die hierfür nötige Voraussetzung nach § 5 Wohnungsbindungsgesetz (WoBindG) "Wohnsitz im Geltungsbereich des Gesetzes....auf längere Dauer zu begründen" als erfüllt, wenn
a) einem Asylbewerber gemäß einer Auskunft des Ausländeramtes nach Abschluß des Asylverfahrens voraussichtlich eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt werden wird oder
b) ein Asylbewerber nach abgelehntem Antrag für mindestens 6
Monate -mit der Möglichkeit einer Verlängerung- geduldet wird
Für die Durchführung und Koordinierung dieser Aufgaben wird
eine dezernatübergreifende Projektgruppe mit organisatorischer
Verankerung im Sozialamt gebildet. Diese ist auch für die Information
der Neusser Bevölkerung über die Existenz und die Funktion der
Wohnungsbörse zuständig.
4. Bedarfsanalyse
Die Stadt Neuss legt im Zusammenhang mit ihrem
Geschäftsprogramm die Zahl der Unterbringungsplätze fest, die
im jeweiligen Geschäftsjahr bereitzuhalten sind. Bei dieser
Prognose orientiert sich die Stadt am Unterbringungsbedarf der
letzten Jahre und den zum Prognosezeitpunkt untergebrachten
Personen und Personengruppen. In der Bedarfsrechnung sind die
Veränderungen, die sich aus dem Unterbringungskonzept ergeben,
ebenso einzubeziehen wie der Platzbedarf für Gemeinschaftsräume
und die etwaige Zahl der Plätze, die aufgrund von
Familiengröße oder Besonderheiten im Einzelfall nicht zu
belegen sind. Die Stadt Neuss hält darüber hinaus eine Reserve
von ca. 10% über dem errechnenden Bedarf bereit, um bei einem
plötzlichen Anstieg der Flüchtlingszahlen genügend Vorlaufzeit
für die weitere Unterbringung zu haben, ohne daß zu Notmaßnahmen
gegriffen werden muß.
IV. Betreuung
1. Gemeinschaftsunterkünfte
Die Stadt Neuss stellt sicher, daß in den Gemeinschaftsunterkünften eine ganztägige sozialarbeiterische Betreuung stattfindet. Diese Betreuung soll -soweit möglich- von speziell in der Flüchtlingshilfe geschulten Fachkräften erfolgen. Auch hierdurch können unnötige Konflikte vermieden werden. Darüber hinaus ist so gewährleistet, daß die Asylsuchenden jederzeit in verfahrenstechnischen Fragen beraten werden können.
Die SozialarbeiterInnen unterstützen auch alle ehrenamtlichen Bemühungen (SprachlehrerInnen, PatInnen...), durch die die Flüchtlinge in das soziale Leben einbezogen werden sollen. Für die Lösung anfallender technischer Probleme steht in jeder Unterkunft ein Hausmeister zur Verfügung.
Eine besondere Betreungsfürsorge gilt den Kindern.
Flüchtlingskinder müssen in unserer Gesellschaft die gleichen
Lebens- und Entwicklungschancen haben wie alle anderen in
Deutschland aufwachsenden Kinder. Auch Flüchtlingskinder stehen
unter dem Schutz des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (KJHG), das
in § 1 "jedem jungen Menschen ein Recht auf Förderung
seiner Entwicklung und Erziehung zu einer eigenverantwortlichen
und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit" zuerkennt.
Insofern ist den Kindern der Flüchtlinge der Besuch der
städtischen Kindergärten bzw. -soweit dies aufgrund der
sprachlichen Voraussetzungen möglich ist- der Besuch einer
Regelschule zu ermöglichen.
2. Private Unterbringung
Auch die in Privatwohnungen untergebrachten Flüchtlinge
müssen betreut werden. Als Orientierungspunkt soll dabei gelten,
daß ein Sozialarbeiter für maximal 100 Flüchtlinge zuständig ist.
3. Patenschaften
Angestrebt wird überdies ein System individueller
Patenschaften. Neusser Bürger und Bürgerinnen sollen sich eines
einzelnen Flüchtlings (oder einer Flüchtlingsfamilie) annehmen,
ihm das Zurechtfinden in seiner völlig fremden Umgebung
erleichtern, ihm im Umgang mit den Behörden zur Seite stehen und
ihn auch bei der Erledigung bestimmter Alltagstätigkeiten (z. B.
Einkaufen) unterstützen. Die Paten und Patinnen sollen dem
Flüchtling als individueller Ansprechpartner zur Verfügung
stehen und ihm so den ersten wirklich persönlichen, im
Idealfall sogar freundschaftlichen Kontakt zu seiner neuen
Umgebung ermöglichen.
Zum Aufbau eines solchen Systems bedarf es der logistischen und finanziellen Unterstützung der Verwaltung
Benennung einer/s Mitarbeiters/in als AnsprechpartnerIn für interessierte BürgerInnen
Bereitstellung eines Raumes für eine erste Informationsveranstaltung
Übernahme der Pressearbeit zur Vorstellung des Projektes in der Öffentlichkeit
Übernahme etwaiger Büroarbeiten (Kopieren)
Bei der Auswahl der PatInnen sind etwaige kulturelle und/oder religiöse Besonderheiten zu berücksichtigen. Unbedingt einzubeziehen in die Auswahl sind die betreuenden SozialarbeiterInnen.
Durch das System individueller Patenschaften soll sowohl die
Integrationsbereitschaft der Flüchtlinge als auch deren
Akzeptanz in der Neusser Bevölkerung gesteigert werden. Durch
die Sensibilisierung für die Probleme und Nöte des jeweils
anderen kann das gegenseitige Verständnis verbessert und die
Grundlage für ein längerfristiges Zusammenleben gelegt werden.
So kann kommunale Flüchtlingspolitik dazu beitragen, daß aus
einem bloßen Nebeneinander ein tatsächliches Miteinander wird.
4. Gesundheitliche Versorgung
Die gesundheitliche Versorgung der Flüchtlinge muß der anderer in Neuss lebender Menschen entsprechen. Auch eine diesbezügliche Differenzierung zwischen Leistungsberechtigten nach § 1 und Leistungsberechtigten nach § 2 des AsylbLG darf es nicht geben. Die Qualität der gesundheitlichen Versorgung darf nicht davon abhängen, ob sich ein Asylbewerber im ersten oder im zweiten Verfahrensjahr befindet. Dies bedeutet: die Stadt Neuss geht über das Sicherungsgebot des § 4 AsylbLG Abs. 1 hinaus, das für Leistungsberechtigte nach § 1 lediglich die "Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände" sowie die Versorgung mit Zahnersatz nur "soweit dies im Einzelfall aus medizinischen Gründen unaufschiebbar ist" fordert. Auch diesem Personenkreis wird eine gesundheitliche Versorgung auf der Grundlage von § 120 Abs. 1 des BSHG zuteil, die auch die Behandlung chronischer Erkrankungen, die Versorgung mit orthopädischen Hilfsmitteln (Brillen, Hörgeräte...) und psychotherapeutische Hilfe z. B. zur Überwindung der Folgen von Folter und Vergewaltigung einschließt. Insbesondere für Kinder sind überdies regelmäßige Wachstumsuntersuchungen unverzichtbar, da nur hierdurch möglichen Entwicklungsschäden rechtzeitig entgegengewirkt werden kann.
V. Grundleistungen
Gemäß § 3 des AsylbLG haben Flüchtlinge einen Anspruch auf bestimmte Grundleistungen, mit deren Hilfe sie ihre persönlichen Bedürfnisse (z. B. Gesundheits- und Körperpflege, Kleidung....) bestreiten können. Dabei gilt:
Auf Leistungsberechtigte nach § 2 des AsylbLG ist das Bundessozialhilfegesetz anzuwenden. Sie erhalten ausschließlich Bargeld.
Leistungsberechtigte nach § 1 des AsylbLG erhalten - in dieser Reihenfolge - Sachleistungen, Wertgutscheine und - abhängig vom Alter - einen bestimmten Barbetrag
Angesichts der Mischbelegung der Gemeinschaftsunterkünfte mit
Leistungsberechtigten nach § 1 AsylbLG und Leistungsberechtigten
nach § 2 AsylbLG sind bei Praktizierung einer solchen Differenzierung
allerdings soziale Spannungen zwischen den Bewohnern nahezu
vorprogrammiert. Überdies stellen Wertgutscheine eine
Diskriminierung und Stigmatisierung des Flüchtlings dar. Indem
sich der Flüchtling beim Einkauf durch sie automatisch als
Flüchtling zu erkennen geben muß, tragen sie zum Prozeß der
sozialen Ausgrenzung unmittelbar bei. Soweit die aktuelle Rechtssprechung
dies ermöglicht, sollen in Neuss auch Leistungsberechtigte nach
§ 1 AsylbLG ausschließlich Bargeld erhalten.
VI. Wirtschaftlichkeit der Unterbringung
Eine Unterbringung von Flüchtlingen in privaten Wohnungen ist
für die Stadt Neuss kostengünstiger als die Unterbringung in
Gemeinschaftsunterkünften.
Dies hat unsere umfangreiche Recherche und der Kostenvergleich
mit anderen Kommunen bewiesen. Sammelunterkünfte sind
personalkostenintensiv, da Betreuung und Hausmeister notwendig
werden, sie sind reparaturanfällig durch die
Gemeinschaftsnutzung und es entstehen hohe Nebenkosten durch z.B.
zu hohen Stromverbrauch.
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