Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN Beitrag LVR-Report
Ausgabe November 1996
Zur Weiterentwicklung der Rheinischen
Landeskliniken
Dezentral und bürgernah
Im Interesse der psychisch kranken Bürgerinnen und Bürger muß der bisher eingeschlagene Weg weitergegangen werden, die Landeskrankenhäuser zu dezentralisieren und die gemeindenahe psychiatrische Versorgung auszubauen. Die auch auf Initiative des LVR inzwischen weit vorangeschrittene Entwicklung gemeindepsychiatrischer Strukturen macht eine Überprüfung und Reform der bisherigen Organisations- und Angebotsstrukturen der Rheinischen Landeskliniken notwendig. Diese Weiterentwicklung muß fortgesetzt werden, auch wenn es dabei an die Kliniksubstanz geht. Auf dieses Problem will Bündinis 90/Die Grünen nicht mit Schwammigkeit, nicht mit einer Rückwärtsgewandtheit oder gar mit dem Verzicht auf Reformen reagieren, sondern durch eine Verkleinerung der Infrastrukturbereiche, die Verwertung der frei werdenden Liegenschaften und nicht zuletzt durch sozialverträgliche Lösungen für die MitarbeiterInnen.
Orientiert am regionalen Bedarf sollten nach Auffassung von Bündnis 90/DIE GRÜNEN soviel wie möglich stationäre Betten durch tagesklinische oder ambulante Hilfen ersetzt werden. Legt man Standardversorgungsgebiete von 150.000 Einwohnern zugrunde, ist eine wohnort- und gemeindenahe Behandlung möglich und regionale Bezüge der Bürgerinnen und Bürger bleiben gegeben. Damit erreichen wir endlich Versorgungsbedingungen, wie sie bei körperlich Erkrankten schon lange üblich sind. Überregionale Angebote z.B. im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie oder Forensik sollen so konzipiert werden, daß auch sie einen gemeindenahen und regionalen Bezug ermöglichen. Ein Prinzipienstreit zwischen den Angebotformen einer psychiatrischen Abteilung am Allgemeinkrankenhaus oder einem psychiatrischen Fachkrankenhaus ist überflüssig und schädlich: der Vorteil der psychiatrischen Abteilung liegt in der geringen Stigmatisierung der Patienten, der Vorteil des Fachkrankenhauses in seiner größeren Differenzierungsmöglichkeit. Allerdings: In unseren Großeinrichtungen sind die richtigen Angebote am falschen Ort.
Das sozialpsychiatrische Konzept unserer Angebote soll sich orientieren am Bedarf des Individuums und die Soziale Integration durch beziehungsorientierte Behandlung fördern. Ziel ist Kundenorientierung und Nutzerzufriedenheit, die systematisch zu überprüfen ist durch Patienten, Ombudsleute und Politik.
Ziel der weiteren Entwicklung sollte sein, bedarfsgerechte, differenzierte, gemeindeintegrierte und im Verbund arbeitende Hilfen zu entwickeln. Um die Verzahnung klinikeigener und Angeboten anderer Träger zu verbessern, sind eine enge Kooperation und verbindliche Absprachen notwendig. Sie haben zum Ziel, daß auch im Bereich der komplementären psychiatrischen Versorgung auch für schwierige und Mehrfachbehinderte eine Versorgungsverpflichtung besteht. Die Entwicklung von zusätzlichen, nicht klinisch-stationären Versorgungsangeboten ist eng an den sozialrechtlichen Grundsatz der Nachrangigkeit öffentlicher gegenüber freigemeinütziger Träger geknüpft. Diese Angebote sind so auszustatten, daß chronisch psychisch kranke Menschen ihren Lebensmittelpunkt grundsätzlich außerhalb von Großeinrichtungen in der Bürgerschaft haben können.
Wir wollen jetzt zusammen mit unserem
Bündnispartner SPD Leitlinien zur Weiterentwicklung der
Rheinischen Landeskliniken formulieren und dem Gesundheitsausschuß
vorlegen. Daran orientiert wird die Verwaltung die Ziel- und
Liegenschaftsplanung für die einzelne Klinik formulieren. Dafür
hat sie schon von der Politik den Auftrag. Bündnis 90/Die
Grünen werden darauf achten, daß es keine Renaissance der
Anstaltspsychiatrie mit modernem Etikett gibt. Wir sind uns
sicher, daß die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterhin die Interessen
der Patienten an einer zeitgemäßen und fortschrittlichen psychiatrischen
Versorgung unterstützen. Dabei sollen ihre eigenen Interessen nicht
zu kurz kommen: Wir wollen betriebsbedingte Kündigungen
vermeiden und Mobilitätshilfen geben, wie sie auch in anderen
Brachen und Regionen bei strukturellem Wandel üblich sind.
Martin Kresse
Martin Kresse * Von-Limburg-Str.
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